„Junge Generation sollte kritischer werden“

Lieblingsplatz im Garten.
Lieblingsplatz: Auf der Terasse hinterm Haus kann Ernst-Wilhelm Rahe am besten entspannen und arbeiten. FOTO: HANS KRACHT

„Wer mich wählt“, sagt er lachend, „darf auch Ewi zu mir sagen.“ Die meisten Menschen, die ihn kennen, tun das eh schon. Ewi ist so etwas wie sein Markenzeichen – die Abkürzung seiner Vornamen; Ernst und Wilhelm hießen seine Großväter. Sozialdemokratie hat eine lange Tradition in der Familie Rahe.

Seit vielen Wochen ist das Haus Löhner Straße 164 in Tengern nicht nur Heim und Rückzugsort, sondern zugleich eine Art Wahlkampfzentrale für Ernst-Wilhelm Rahe. Dort lebt der SPD-Landtagskandidat mit Frau Anja und drei Söhnen. Schräg gegenüber wohnt seine Mutter, gleich um die Ecke Schwester und Schwager; der ist übrigens der Löhner Bürgermeister Heinz-Dieter Held.

„In diesem sozialdemokratischen Haus“ ist der heute 51-Jährige aufgewachsen. Schon sein Großvater hat die SPD im Gemeinderat vertreten. Das hat ihn geprägt, Politik für die kleinen Leute machen und zugleich die Welt verändern. Schon mit 15 war Rahe politisch aktiv – das Parteibuch bekam er trotzdem erst mit 17 Jahren.

„Zuhören, nachdenken, handeln“, lautet das Motto des Diplom-Sozialarbeiters. „Es geht darum, politische Prozesse zu begreifen, berechtigte Interessen wahrzunehmen und abzuwägen, was gut für die Mehrheit ist“, sagt er und fügt hinzu, was ihm selbstverständlich ist: „Es geht darum, die Menschen zu beteiligen. Basta-Politik ist nicht mein Ding.“ Seine politischen Schwerpunkte: Kinder-, Jugend- und Familienpolitik, Medienpolitik und die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Sein Wunsch und seine Hoffnung: „Die junge Generation sollte kritischer werden.“ Rahe will die Menschen erreichen, mit ihnen sprechen, diskutieren – in allen 93 Orten des Mühlenkreises. Ein Wahlkreis, der flächenmäßig fast so groß ist wie Berlin. Da kann er sich auf gute Wahlkampfteams vor Ort verlassen. An die 1.000 Hausbesuche hat er schon absolviert. „Es macht Spaß“, sagt er. Und bedauert zugleich, dass er nicht alle E-Mails und die Post beantworten kann, dafür fehlt einfach die Zeit.

Lange hat der Tengeraner im Windschatten der Macht als fleißiger Arbeiter und überzeugter Sozialdemokrat gewirkt – dieser Einschätzung stimmt er zu: „Ich habe nie eine Karriereplanung gemacht“, sagt er nachdenklich. Aber jetzt zieht es ihn nach Düsseldorf, um die Nachfolge von Karl-Heinz Haseloh anzutreten, neue Aufgaben und neue Verantwortung zu übernehmen, politische Schwerpunkte zu setzen.

Einer, der schon so lange politisch tätig war und so viel Erfahrung gesammelt hat, plagen den hin und wieder Versagensgefühle? „Ja, wenn man vor ganz dicken Brocken steht“, kommt schnell die Antwort – und sie wird sogleich konkretisiert: „Wenn es mir nicht möglich ist, komplizierte Vorgänge so zu erklären, dass sie auch verstanden werden.“

Hat er schon mal heimlichen Groll gegen andere Menschen verspürt? „Ich kann nicht leiden, wenn einer intrigant ist oder vorsätzlich lügt.“ Rahe schätzt die offene und ehrliche Auseinandersetzung, auch mit dem politischen Gegner. Aus seiner Studienzeit ist ihm ein Spruch in Erinnerung geblieben: „Man kann einen anderen erst verstehen, wenn man in seinen Mokassins gelaufen ist.“

Was Rahe zurzeit ein wenig stört, ist die mangelnde Möglichkeit, seinem Hobby frönen zu können, dem Gitarrespielen. Stolz ist er auf seine große Plattensammlung kritischer deutscher Liedermacher. In der Küche war er früher auch häufiger anzutreffen, jetzt ist zum Kochen zu wenig Zeit. „Aber er kann ganz leckere Saucen“, sagt Anja Schweppe, die ihm das klingelnde Telefon abnimmt. Anja ist ihm eine unermüdliche Hilfe, als Lektorin, Internetbeauftragte, Koordinatorin, Foto-Spezialistin – und Kritikerin.

Im Garten hinterm Haus ist es angenehm ruhig. Dort ist Ewis Lieblingsplatz. Er freut sich schon auf den Sommer, wenn er früh um 6 Uhr nach draußen gehen kann, um dort Kaffee zu trinken und in den Zeitungen zu blättern – und um in aller Ruhe einen neuen arbeitsreichen Tag zu beginnen.

Funktionen und Ehrenämter

Ernst-Wilhelm Rahe ist als Diplom-Sozialarbeiter Fachberater beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Seit 1976 Mitglied der SPD, hat er diverse Funktionen ausgeübt: als Ortsvereinsvorsitzender (1978 bis 1992), Gemeindeverbandsvorsitzender (1990 bis 1996), im Vorstand des Unterbezirks, als Mitglied des Landesvorstandes (seit 2002) und des NRW-Präsidiums (seit 2004) sowie als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Region Ostwestfalen-Lippe. 1991 war er Initiator und bis 2000 Leiter der „Parteischule Minden-Lübbecke“. Ehrenamtlich war er von 1985 bis 2009 Geschäftsführer der Medienwerkstatt Minden-Lübbecke, seit 1993 bis 1999 stellvertretender Vorsitzender der Veranstaltergemeinschaft für lokalen Rundfunk. Seit 2005 ist er Sprecher im Lokalen Bündnis für Familie und seit 2006 Mitglied der Medienkommission bei der Landesanstalt für Medien NRW. (hak)

© 2010 Neue Westfälische
Zeitung für den Altkreis Lübbecke, Samstag 01. Mai 2010