Die Stadt Rahden wird nicht am Projekt Ehrenamtskarte des Landes Nordrhein-Westfalen teilnehmen. Das hat die Mehrheit des Rates von CDU und FDP entschieden und einen Antrag der SPD abgelehnt. Der Abstimmung war eine umfangreiche Diskussion vorangegangen. Dabei warfen die Sozialdemokraten vor allem der CDU vor, das Projekt ins lächerliche zu ziehen.
Nach Angaben von SPD-Fraktionschef Friedrich Schepsmeier hatte der frühere NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) die Karte präsentiert. Mittlerweile nähmen 80 Kommunen aus Nordrhein-Westfalen an dem Projekt teil, darunter auch die Stadt Lübbecke.
Die bereits bei vorangegangenen Beratungen von der CDU vermuteten Probleme, eine Ehrenamtskarte könne zu erheblicher Arbeit in der Verwaltung und zu Streit in den Vereinen führen, versuchte Schepsmeier zu entkräften. Für den Aufwand gebe es 1.500 Euro. Lübbecke habe 40 Anträge gehabt. In Rahden sei eine überschaubare Anzahl von Anträgen zu erwarten. „Das wird nicht die Welt sein“, so Schepsmeier. Von Streit in Vereinen sei nichts bekannt.
„Das wird in Vereinen akzeptiert“, warb Schepsmeier. Man dürfe auch nicht nur an die Ehrenamtlichen in den Vereinen denken, sondern müsse auch Menschen berücksichtigen, die sich etwa bei der Tafel oder den „Grünen Damen“ engagierten. Mit der Karte solle die ehrenamtliche Leistung von Bürgern anerkannt werden. Sie würden Vergünstigungen in städtischen Einrichtungen oder Einrichtungen des Landschaftsverbandes bekommen. Denkbar sei, dass man auch Geschäftsleute anspreche, damit diese den Ehrenamtlichen Vergünstigungen gewährten.
Vergünstigungen gebe es in ganz NRW, sagte CDU-Fraktionschef Hermann Seeker. „Da müssten wir in Rahden auch was anbieten.“ So viele Menschen würden sich wohl nicht auf den Weg nach Rahden machen. Wenn doch, dann könne das etwa eine Veranstaltung an einer Mühle sprengen. Seeker zog zudem Schepsmeiers Vermutung in Zweifel, dass die Zahl der Nutzer in Rahden überschaubar sei. Das Ehrenamt lebe außerdem davon, dass die Bürger das „gern und aus Spaß“ machten.
Wo die Karte funktioniere, das sei in Ballungsräumen, meinte Hans-Eckhard Meyer (FDP). Die Karte lebe vom Angebot an Vergünstigungen, doch in der Region sei nur Lübbecke dabei. Gebe es in Rahden über die Stadtbücherei, das Bad und den Museumshof hinaus keine Angebote, dann sei das eine „Low Card“, so Meyer. Wie Seeker erinnerte Meyer, dass es in Rahden „schöne und etablierte“ Veranstaltungen gebe, bei denen das Ehrenamt gewürdigt werde.
Ehrenamtlich seien Bürger aus „Spaß und Freude“ tätig, so Gudrun Straßburg (CDU). Glücklich sei sie, viele Menschen ins Ehrenamt einzubeziehen. „Das ging ohne Vorteile.“ Sie finde es „eigentlich peinlich“, dem Begriff des Ehrenamtes mit „solch kleinen finanziellen Vergünstigungen“ kommen zu wollen.
Das sah Claus-Dieter Brüning (SPD) anders. Die Karte bekomme, wer 250 Stunden im Jahr ehrenamtlich tätig sei. Er warb dafür, sich Lübbecke anzuschließen. Vielleicht folgten die Nachbar-Kommunen dann auch recht bald. Friedrich Schepsmeier zeigte sich angesichts des Beitrags von Gudrun Straßburg „nachdenklich“.
Wer habe denn gesagt, dass Menschen mit Ehrenamtskarten ins Ehrenamt gelockt werden sollten, wollte er wissen. Die Karte solle zusätzlich zu den in Rahden bestehenden Veranstaltungen angeboten werden. An den bestehenden Veranstaltungen werde nicht gerüttelt.
Die Karte sei eine Anerkennung für alle. Schepsmeier sprach von einem „Bundesverdienstkreuz für alle.“ Die alte Landesregierung habe es auf den Weg gebracht, die neue setze es fort.
Man könne gute Ideen auch schlecht reden, sagte Torsten Kuhlmann (SPD). Wenn es wegen der Karten-Anträge Furcht vor zu viel Arbeit gebe, dann wolle er dafür gern einen Tag Urlaub nehmen.
„Ich mache Ehrenamt, weil ich es ehrenamtlich mache“, erteilte Bianca Winkelmann (CDU) dem Projekt eine Absage. Eine Karte müsse mit Leben gefüllt werden, es sei aufwändig.
Wer denn die Differenz bei Rabatten für Kartenbesitzer zahle, wollte Reinhard Warner (CDU) wissen. Irgendwann sei „das Geld alle“. Willi Kopmann (CDU) wollte wissen, ob die Karte auch für die Vorstandsmitglieder des Schützenvereins Sielhorst und deren sonntägliche Treffen gelte.
„Jetzt bin ich sprachlos“, zog Kuhlmann daraufhin seine Wortmeldung zurück – um später festzustellen, es sei „peinlich, wie das hier läuft“. „Mit stehen meine kurzen Haare zu Berge, wie man das jetzt ins lächerliche zieht“, empörte sich auch Claus-Dieter Brüning.
Die Bedingungen für die Karte seien geregelt. Man müsse nur sagen, ob man sie wolle oder nicht. Deutliche Worte richtete Friedrich Schepsmeier vor allem an die CDU: „Ihr stimmt heute dagegen. Und in zwei Jahren legt ihr es dann vor.“
© 2010 Neue Westfälische
Zeitung für den Altkreis Lübbecke, Donnerstag 18. November 2010