Wenn man die richtigen Leute kennt, öffnen sich viele Türen

Bettina Dusella aus Minden (links) schnuppert in die (Partei-)Politik hinein. Die Rahdener Stadträtin Dorothee Brandt versucht, ihr den Weg ein wenig zu ebnen.

Von Melanie Russ. Immer mal wieder wird der Ruf laut, es müssten sich mehr Frauen und junge Menschen in den kommunalen Räten engagieren. Doch der Ruf verhallt meist ungehört. Nach wie vor sind die Räte in der Regel geprägt von Männern etwas älteren Semesters. Im Mühlenkreis werden im Schnitt nur 21 Prozent der Mandate von Frauen ausgeübt. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Zum einen hätten Frauen nicht die Motivation, so viel Zeit zu investieren, wie für die Ratsarbeit notwendig ist, glaubt die Rahdener Stadträtin Dorothee Brandt. Schließlich müssten sie sich oft neben dem Beruf auch um die Familie kümmern. Zum anderen sei bei Bürgern generell die Hemmschwelle recht hoch, Politiker anzusprechen und sich für eine Mitarbeit anzubieten. Viele Menschen engagieren sich nach Brandts Erfahrung eher projektorientiert, etwa für den Erhalt eines Schulstandorts oder beim Thema Windenergie.

Und dann machen es die altgedienten Parteimitglieder Neulingen auch nicht immer leicht. Wenn man als junger Mensch in eine Partei komme, „stößt man sich schnell die Hörner ab“, sagt Brandt. Das sei schade. An ihre Anfänge in der Rahdener SPD kann sie sich noch gut erinnern. „Lies erstmal die Protokolle“, habe es damals geheißen. Die Rahdenerin begann ihre politische Arbeit 2008. Zunächst ein Jahr als Gast der SPD, dann als sachkundige Bürgerin im Rat hielt sie sich zunächst im Hintergrund, lernte, „wie der Hause läuft“ und wer für was zuständig ist.

„Politik ist ein hartes Geschäft“

Die heutige Mentorin hatte damals mit dem SPD-Kreistagsabgeordneten Rudolf Pieper selbst einen erfahrenen Mann an ihrer Seite, der ihr wertvolle Tipps für das Navigieren im politischen Dschungel gab. „Wenn man die richtigen Leute kennt, öffnen sich viele Türen“, weiß Brandt. Eine ihrer ersten Lektionen: Wenn man ein Anliegen auf die Tagesordnung bekommen möchte, muss man genau überlegen, wem man zu welchem Zeitpunkt was sagt. „Man muss verstehen lernen, wer in einer Partei was zu tun hat und wie eine Beschlussfassung funktioniert“, so Brandt. „Politik ist ein hartes Geschäft. Man muss sich durchsetzen.“

Und man muss viel Zeit mitbringen. Als sachkundige Bürgerin in einem Fachausschuss sei die Arbeit weniger aufwendig, weil man sich nur mit einem Thema befassen müsse, schildert Brandt. Als Stadträtin dagegen muss sie in allen Bereichen gewisse Kenntnisse haben, um kompetent entscheiden zu können. Denn ein Ratsvotum kann weitreichende Folgen haben. Das bedeutet, viel lesen und recherchieren.

Erfahrene Politikerin und Neueinsteigerin bilden Tandem

Um interessierten Frauen den Weg in die Politik zu erleichtern, hat das Helene Weber Kolleg in Berlin ein parteiübergreifendes Netzwerk für engagierte Frauen in der Politik, das Mentoring-Programm „Politik braucht Frauen“, initiiert. Jeweils eine erfahrene Politikerin und eine Neueinsteigerin bilden ein Tandem. Angelika Lüters-Wobker und Karla Rahlmeyer, Gleichstellungsbeauftragte in Lübbecke und Bad Oeynhausen, haben das aus Bundesmitteln geförderte Programm in den Mühlenkreis geholt. Zehn Paarungen haben sich hier gefunden. Dorothee Brandt ist die eine Hälfte eines dieser Tandems. Die andere Hälfte ist die 55-jährige Mindenerin Bettina Dusella.

Dusella hat bereits erste Erfahrungen gesammelt und auch ohne Parteibuch und Ratsmandat einiges bewegt. Für ihren Arbeitgeber, die Wohlfahrtsverbände, ist sie stimmberechtigtes Mitglied im Mindener Jugendhilfeausschuss. Viele Jahre habe sie auch leitende Funktionen inne gehabt, den Arbeitskreis „Frühe Hilfen“ ebenso mitgegründet wie den Arbeitskreis „Familien mit psychisch kranken Eltern“, berichtet die Mindenerin.

Ratsmandat bietet gestalterische Möglichkeit

Zwar fühlt sie sich im Jugendhilfeausschuss durchaus ernst genommen, ihre Meinung werde angehört und als kompetent anerkannt, „aber ich muss gefragt werden. Das nervt mich ein bisschen“, gibt Dusella zu. Mit einem eigenen Ratsmandat hätte sie die Möglichkeit, selbst Themen anzusprechen. Außerdem möchte sie ihren politischen Horizont erweitern. „Ich merke, dass mich mehr Themen reizen, Stadtentwicklung zum Beispiel.“ Sie weiß auch sehr genau: Wer die Macht über die Finanzen und das Personal hat, kann gestalten. Da ein Ratsmandat diese gestalterische Möglichkeit bietet, ist das für die Mindenerin durchaus ein mögliches Ziel, festlegen mag sie sich aber noch nicht.

Für Dusella ist das Mentoring-Programm vor allem auch ein Mittel zur Entscheidungsfindung. „Ich muss schauen, wie viel Zeit ich bereit bin zu investieren“, sagt die Mindenerin, die sich neben ihrem Beruf nicht nur auf die Politik konzentrieren, sondern auch kulturell und sportlich aktiv bleiben will. „Politisches Engagement kann man nicht nur in einer Partei zeigen“, ist die parteilose Dusella mit Sympathien für die Grünen und die Mitglieder der Mindener SPD überzeugt.

Mehr Frauen in der Politik – das kann auch Sicht von Brandt und Dusella nur förderlich sein. „Frauen sind eher bereit, parteiübergreifend zu arbeiten als Männer“, ist Brandts Erfahrung.