Stadt will sparen – aber wo?

Eigentlich wollte der Rat zuerst über den Haushaltsplan 2017 abstimmen und unter dem nächstes Tagesordnungspunkt über die Steuersätze. Doch SPD, FWG, FDP, UfR und Grüne hielten das für den falschen Weg. Sie beantragten, zuerst über die Steuern zu beraten, denn davon hänge auch der Haushalt ab.

Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, die Grundsteuer A für landwirtschaftlich genutzte Flächen von 213 auf 240 Prozent anzuheben, die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke von 423 auf 470 und die Gewerbesteuer unverändert bei 415 zu belassen. Bei den beiden letzteren gab es zwischen den Fraktionen kaum Diskussionsbedarf (wir berichteten). Anders dagegen bei der Grundsteuer A. Die SPD schlug vor, auf 270 Prozent zu gehen. Grüne und FDP schlossen sich dem an. FWG und UfR ebenfalls. Gundel Schmidt-Tschech (UfR) und Doris Bölk (FWG) verschwiegen aber nicht, dass sie auch über 290 nachgedacht hätten.
SPD-Fraktionschef Friedrich Schepsmeier betonte, dass die Schere zwischen A und B in Rahden 230 Prozent betrage und damit so groß sei wie kaum irgendwo sonst im Bundesgebiet. Er nannte Beispiele aus der niedersächsischen Nachbarschaft: »In Wagenfeld beträgt die Grundsteuer A 380 und B 370 Prozent.«

Carsten Zimmermann bezeichnete die Mehrbelastung für die Landwirte als gerechtfertigt. Der Freie Wähler sprach sich für eine gleiche Höhe von A und B aus. Sonst könne er dem Haushalt nicht zustimmen, forderte Zimmermann Steuergerechtigkeit ein. Außerdem wären die Pachten gestiegen. Auf das Argument der CDU-Fraktionsvorsitzenden Bianca Winkelmann, in der Regel seien es Rentner, die landwirtschaftlichen Flächen verpachten, die bräuchten das Geld dringend, denn sie erhielten oft nur 700 Euro Rente, konterte Zimmermann: »Unser Sozialstaat sorgt dafür, dass jeder überleben kann.«

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Eckhard Meyer sprach sich für die Erhöhung auf 270 Prozent aus. Er zeigte Verständnis für die Landwirte: »Sie haben in diesem Jahr mäßige Erträge erzielt und mussten einen Hagelschaden im Juni und einen ganzjährigen Preisverfall ihrer Produkte verkraften.« Aber die Grundsteuer sei nicht als Regulativ für Schwankungen einzusetzen, sondern solle eine dem Bodenwert entsprechende Besteuerung sein.
Dem konnte die CDU nicht folgen. »Eine Erhöhung nur von der Grundsteuer A würde unseren Haushalt in keiner Weise retten.« Es gehe um etwa 20 000 Euro, argumentierte Winkelmann. »Es trifft aber die Landwirte, die für ›unser täglich Brot‹ sorgen. »In Niedersachsen ist A und B zwar gleich – nur der Vergleich hinkt.« Dort werde der ländliche Raum viel stärker gefördert.

Winkelmann erinnerte an die Unterstützung für die Firma Meier-Guss, weil es um 250 Arbeitsplätze gehe. »In Rahden gibt es allein mindestens 200 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in der Landwirtschaft.« In diesem Wort stecke zudem nicht ohne Grund das Wort Wirtschaft. »Ich kann die FDP nicht verstehen, wenn sie so ein Spiel mitmacht.«

»Wer ohne Not gegen die landwirtschaftlichen Betriebe im Rahdener Land stimmt, der sollte sich morgens, wenn er in sein Frühstücksbrötchen beißt, fragen, ob er diese Nahrungsmittel zukünftig aus dem Ausland beziehen will.« Denn diese Politik zwinge die Familienbetriebe in die Knie.
Die CDU werde nur dem Verwaltungsvorschlag zustimmen. Und wurde überstimmt, weil alle anderen Fraktionen für 270 Prozent votierten, aber auch weil die CDU nicht vollständig war.

Bereits zu Beginn der Sitzung hatte sich Hermann Seeker in der Einwohnerfragestunde zu Wort gemeldet. Der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes stellte Bürgermeister Bert Honsel die Frage: »Wieweit will die Stadt die Landwirte noch belasten? Das geschieht allein schon durch die schlechte wirtschaftliche Situation.« Die Stadtverwaltung werde es bei den 240 Prozent belassen. Jetzt müsse man abwarten, wie die Sitzung verlaufe.

Bei der Haushaltsberatung kristallisierte sich schnell heraus, dass keiner über die Schieflage und das Defizit glücklich war. Als bedrückend bezeichnete Schepsmeier die städtische Finanzlage. Doris Bölk sprach die Kreisumlage an und forderte: »Auch der Kreis muss auf seine Rücklagen zurückgreifen.«

»Wir haben erhebliche Summen in Gerätehäuser, Schulen und in den Umbau des Rathauses investiert. Diese Investitionen sind für die nächsten 40 Jahre getätigt worden. Den ganz großen Schluck aus der Pulle haben wir genommen. In die nächsten Jahren stehen hoffentlich nicht weitere große Baustellen an. Und auch die Flüchtlingssituation hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt«, meinte Winkelmann.
Die Politik sollte frühzeitig im nächsten Jahr mit Schulen, Feuerwehr und allen anderen öffentlichen Einrichtungen ins Gespräch kommen, um gemeinsam nach Einsparmöglichkeiten zu suchen.

Frühzeitig suchen wollen auch die anderen Fraktion. Der Grüne Winrich Dodenhöft sah Einsparmöglichkeiten beim Musikschulverband und regte an, die städtische Trägerschaft für den Museumshof aufzugeben und einen gemeinnützigen Nachfolger zu finden: »Dann bekommen wir Fördermittel von der NRW-Stiftung.«

»Selbst bei dieser guten Konjunktur – die Steuereinnahmen sind ebenso wie die Beschäftigung auf Rekordniveau und bei historisch niedrigen Zinsen – schaffen wir es nicht, unseren Haushalt auszugleichen. Und das gibt Anlass zur Sorge«, sagte Hans-Eckhard Meyer. Er habe den Eindruck, dass sich der Bund auf dem Rücken der Kommunen konsolidiert und das Land bei der enorm hohen Neuverschuldung von 1,62 Milliarden in 2017 die Städte und Gemeinden ebenfalls zur Konsolidierung heranziehen werde.

Mit großer Mehrheit stimmte der Rat für den Haushalt. Bekundete aber zuvor für 2018 die Absicht, daran zu arbeiten die Erträge zu erhöhen und die Ausgaben zu senken.«