Rahdener nutzen Beratungsangebote beim SPD-Energietag
Referenten polarisieren mit Vorträgen zur Klimakrise
„Es geht um die Klimakrise und den CO2-Fußabdruck. Diese Probleme müssen global angegangen werden“, mit diesen Worten eröffnete Bürgermeisterkandidat Udo Högemeier am vergangenen Samstag den gut besuchten Energie-Informationstag am Museumshof in Rahden. Dort präsentierten sich auf Einladung der SPD Rahden verschiedene Aussteller, die über Photovoltaik, Energiespeicherung sowie Gebäude- und Industrietechnik informierten. Ebenso konnten sich die etwa 250 Besucher, die über den Tag verteilt zum Museumshof gekommen waren, bei diversen Autohändlern zum Thema E-Mobilität und somit zu Alternativen zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren beraten lassen. Und diese Möglichkeit wurde recht gut genutzt, wie einige der Aussteller bestätigten. Die Einhaltung der Corona-Regeln erleichterten dabei Absperrbänder und Richtungsweiser.

Zum Energietag begrüßte der Klima- und Energieexperte Udo Högemeier, der selbst sein Elektromotorrad sowie sein Elektroauto ausgestellt hatte, auch den Landratskandidaten der SPD, Ingo Ellerkamp. Dessen Fahrzeug wird ebenfalls mit Strom betrieben.

Als Aussteller und Berater konnte die SPD Rahden die Firmen Hilker-Solar, Schuster Gebäude- und Industrietechnik, E3/DC GmbH sowie die Autohäuser Schlottmann & Buschendorf, Becker-Tiemann und Buschmann gewinnen. Doch der Energietag hatte noch viel mehr zu bieten. Denn neben Beratung setzten die Sozialdemokraten auf Information und Aufklärung in Sachen Klimaschutz mit engagierten Referenten, die sehr deutliche Worte fanden, aufrüttelten, kontroverse Ansätze präsentierten und durchaus polarisierten. In einem allerdings waren sie sich einig: Die Politik vergeigt es.
Energie und Geld sparen
Bei der Veranstaltung ging es aber auch darum, Hilfestellung für Hausbesitzer zu geben: „Je nachdem, wie der Einzelne finanziell aufgestellt ist, kann er etwas zur Klimarettung beitragen“, sagte Högemeier, der am Vormittag in Zusammenarbeit mit der EnergieAgentur.NRW einen Vortrag zum Thema „Energie und Geld sparen“ hielt. Wärmepumpentechnik war dabei das zentrale Thema.
Es könne nicht pauschal gesagt werden, welche Heizung für welches Haus am besten geeignet ist. Ebenso machte Högemeier deutlich, dass nicht pauschal davon ausgegangen werden kann, dass Wärmepumpen nur in Neubauten Sinn machen. „Entscheidend sind Wärmebedarf, Fensterqualität und Heizflächen.“ Notwendig sei eine Heizlastberechnung für jeden Raum. Ein hydraulischer Abgleich des Heizungssystems steigere die Effizienz. Bei Altbauten müsse fallabhängig entschieden werden. Der Energieexperte erläuterte zudem die Funktionsweise einer Wärmepumpe und empfahl, eine Verbrauchsstatistik über Öl und Strom über den Zeitraum eines Jahres zu führen, um dann einen sinnvollen Sanierungsfahrplan für das Eigenheim erstellen zu können.

Nach der Mittagspause ging es in der Gaststätte „Museumshof“ weiter mit interessanten Vorträgen sowie einer kontroversen Podiumsdiskussion, die Rainer Rohrbeck, Vorsitzender des Klimabündnisses im Mühlenkreis, moderierte. „Ich versuche seit mehr als zwölf Jahren das Klima zur Sprache zu bringen und darauf hinzuweisen, dass eine Krise besteht“, sagte Rohrbeck, bevor er das Wort an den ersten Referenten weitergab.
Gefahr für Küstenregion in Norddeutschland
Die Perspektiven für den Klimaschutz auf globaler, europäischer, nationaler und lokaler Ebene veranschaulichte Professor Dr. Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wissenschaft des Saarlandes (Saarbrücken). „Seit mehr als zehn Jahren wissen wir von den Folgen des Klimawandels. Es gab seitdem Konferenzen und Beschlüsse, aber trotzdem steigt der CO2-Wert weiter“, sagte der Ökonom, bevor er die verschiedenen klimabedingten Problematiken verdeutlichte. Dabei ging der gebürtige Espelkamper auf den Report des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), landläufig besser bekannt als Weltklimarat, ein. „Die IPCC-Prognosen sind sehr vorsichtig. In der Wirklichkeit bewegen wir uns aber an deren oberem Rand.“ Eine Folge des Meeresspiegelanstieges sei, dass sich die Menschen der Stadt Alexandria im Nildelta ab 2070 neue Standorte suchen müssten. Damit einhergehen könne ein neuer Flüchtlingsstrom. Doch: Ägypten ist weit weg. Deshalb zeigte Leprich eine weitere Karte: von der Nordsee. „Viele Gegenden in Norddeutschland bekommen Probleme. Mit diesem Aspekt wird die Klimakrise wohl noch plastischer.“ Und das wurde sie in der Tat anhand des breiten roten Streifens, der anzeigte, wie Inseln und ein Teil vom Festland an der Küste dann unterhalb des Meeresspiegels liegen werden.

„Deutschland ist kein Vorreiter mehr, sondern ein Nachzügler“
Weitere Themen waren die Aufteilung der globalen Treibhausgase (THG) und die Entwicklung der Verursacher: der CO2-Emissionen. Der „menschengemachte“ Treibhauseffekt habe bis heute zu einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von etwa einem Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau geführt. „Die Bemühungen seit den 1990er Jahren, diesen Wert zu senken, haben komplett versagt. Im Gegenteil: Die CO2-Emissionen haben in den vergangenen 30 Jahren noch mal um mehr als 60 Prozent zugenommen“, sagte Leprich.

Durch eine Erderwärmung von mehr als zwei Grad Celsius könne laut führenden Klimawissenschaftlern das planetare Ökosystem instabil werden. Um dies zu vermeiden, müssten die durch Verbrennung freigesetzten CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf Null reduziert werden. „Das bedeutet, dass maximal noch ein Viertel der vorhandenen fossilen Reserven wie Kohle, Öl und Gas verbrannt werden darf“, erläuterte der Wirtschaftswissenschaftler. Und er stellte klar: „Deutschland ist schon lange kein Vorreiter mehr im Klimaschutz, sondern ein Nachzügler. ‚Klima-Kanzlerin‘ ist ein schlechter Witz. Wir haben die Vorreiterrolle schon vor 15 Jahren verspielt.“
„Klimapaket war eher ein Klimapäckchen“
Zwar sei die Entwicklung derzeit etwas besser, das liege aber wohl an der Corona-Krise. Und es könne teuer für Deutschland werden, wenn die von der EU vorgegebenen verpflichtenden Treibhausgas-Klimaziele für Deutschland im Jahr 2030 nicht erreicht werden. „Es ist wichtig, dass das, was zur Zeit vage angedacht ist, umgesetzt wird. Wir sind noch weit davon entfernt, das Ziel zu erreichen“, mahnte Leprich. Dabei mangele es nicht an Ratschlägen: „Es mangelt an Taten“, kritisierte der Ökonom. Das Klimapaket 2019 sei eher ein „Klimapäckchen“ gewesen. Dabei seien die CO2-Bepreisung, die Pendlerpauschale und der Kohleausstiegspfad als Gesetze beschlossen, aber so nicht umgesetzt worden. Und das Verbot von Ölheizungen gelte erst ab 2026. Aktuell sei somit eine eklatante Verfehlung der nationalen Ziele in Sachen Klimaschutz absehbar. Auch von der Umsetzung des im Pariser Klimaabkommen gesetzten Rahmens für die notwendige Klimaschutzpolitik sei Deutschland somit noch weit entfernt. Vielmehr sei die EU, vor allem die EU-Kommission, aktuell Vorreiter für eine engagierte Klimaschutzpolitik.

Mut- und Phantasielosigkeit der Bundesregierung
Das eklatante Politikversagen der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz resultiere aus erschreckender Mut- und Phantasielosigkeit. „Warum müssen wir denn immer Letzter sein? Viele Staaten haben bereits mutige neue Ansätze, an denen wir uns orientieren können.“ Vorbilder im Bereich CO2-Steuer seien Schweden und die Schweiz. Luxemburg macht es mit der Einsparverpflichtung für Strom- und Gasversorger vor, und mit einem Blick über den großen Teich sieht man Kaliforniens „Verpflichtung zu PV-Anlagen auf Neubauten“.
Und Leprich wetterte weiter gegen Politik und prangerte Versagen in Sachen Tempolimit und Dieselsteuer an, beklagte das „ewige Stiefkind“ Photovoltaik und warf ein Zitat eines Gastbeitrages von Sigmar Gabriel auf die Leinwand: „Umwelt- und Klimaschutz waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriearbeitsplätze“, ist da zu lesen. „Auch Sigmar Gabriel müsste wissen, dass nur auf Nachhaltigkeit basierende Arbeitsplätze gut und sicher sind“, lautete Leprichs Kommentar.
Manchmal ist es ganz einfach
Ein Rezept für die kommunale Vorbild- und Vorreiterfunktion hatte der Wissenschaftler ebenfalls parat: den Ratsbeschluss „Klimanotstand“ mit der Selbstverpflichtung zur Ergreifung rascher Maßnahmen und obligatorischer Klimaschutzprüfung aller sonstigen Maßnahmen; einen verbindlichen Zeitplan für die Bestückung aller öffentlichen Gebäude mit PV-Anlagen und die energetische Sanierung aller öffentlichen Gebäude; kommunale Wärmeplanung mit einem Fahrplan für den Ersatz aller Öl- und Gasheizungen in den nächsten 20 Jahren, die Benennung eines Klimaschutz-Managers sowie den Ausbau der Fahrradwege beispielsweise durch Fahrbahnmarkierungen. „Für einige Dinge braucht es manchmal nur einen Ratsbeschluss und etwas Farbe“, warf er das Beispiel einer Kommune ein, die in kürzester Zeit einen Fahrradstreifen realisiert habe. Ebenso wichtig seien Transparenz und Informationen. Leprich riet zur Erstellung einer eigenen Treibhausgasbilanz, der regelmäßigen Darstellung der Entwicklung der THG-Emission in Rahden sowie der regelmäßigen Verbreitung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Klimakrise in lokalen Publikationen.

Nur durch Druck bewegt sich etwas – oder durch einen Schock
Ganz klar sagte Uwe Leprich zum Schluss: „Es muss weh tun. Ohne Druck bewegt sich nichts, es sei denn durch Schocks wie den Ölschock oder durch Katastrophen wie Tschernobyl – oder eben durch Corona. Die Proteste im Hambacher Forst haben beispielsweise schon viel bewirkt.“ Auch für die Bewegung „Fridays for Future“ sprach er sich aus. Und auf die Frage des SPD-Landtagsabgeordneten Ernst-Wilhelm Rahe, wie man das, was Leprich vorschlägt, in einer Demokratie, in der man für alles einen Mehrheitsbeschluss brauche, hinbekommen könne, hatte der Wissenschaftler ebenfalls eine Antwort: „Politik muss auch mal Projekte durchhalten – egal, wie die nächste Wahl ausfällt. Das vermisse ich in Deutschland. Und es ist durchaus kompatibel mit Demokratie. Bürger wollen bei ernsten Themen klare Linien haben.“

„Man muss Industrie nicht kaputtmachen – man muss sie umbauen“
„Ich glaube an Wirtschaft und Konsum – nicht an Verzicht“, mit diesem Statement startete Dr. Andreas Piepenbrink, Geschäftsführer des Unternehmens E3/DC, studierter Elektrotechniker mit Promotion im Bereich Regelungstechnik, aus Osnabrück seinen Vortrag zum Thema „Autark und CO2-frei im Eigenheim. Der Produzent von Wechselrichtern sieht darin die Möglichkeit, von Öl und Gas wegzukommen. „Wenn man Uwe Leprich glaubt, was ich auch tue, muss man sich konkret fragen, was man tut und warum. Denn Strom allein löst das Problem nicht. Er muss 100 Prozent erneuerbar sein“, sagte Piepenbrink.
Er setze auf Physik statt auf Lobbyismus und präsentierte dazu einige Beispiele: Demnach entspreche ein Liter Benzin 2,3 Kilogramm CO2 und 9kWh Energie, 9kWh Energie wiederum 4,5 Kilogramm CO2. Solarstrom hingegen schlage mit 0,0 Kilogramm CO2 zu Buche. Ein Solarmodul entspreche 350kWh/p.a. beziehungsweise etwa 40 Litern Öl/p.a. Eine Wärmepumpe sei dreimal effektiver als eine Gastherme und ein Elektroauto dreimal effektiver als ein Benzinfahrzeug.
„Ich glaube nicht, dass man die deutsche Industrie oder Autoindustrie kaputtmachen muss – man muss Industrie umbauen“, so die Ansicht des Unternehmers. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen setzen. „Kann sie aber nicht, sie hat von Wirtschaft null Ahnung“, sagte Andreas Piepenbrink. Deshalb müsse man sich ganz konkret privat überlegen: „Was kann ich tun?“
CO2-frei ohne Verzicht?
„Sie haben die Möglichkeit, ohne jeden Komfortverlust, ohne dass Sie auf etwas verzichten, auf Öl und Gas zu verzichten, dafür aber ein CO2-freies Zuhause zu haben. Das geht mit einem Kraftwerk für Zuhause. Dafür baut meine Firma Wechselrichter. Weil alles auf Strom läuft, ist alles möglich“, warb Piepenbrink. Nur mit Strom habe man die absolute Kontrolle. „Sie sind der Chef und ihr eigener Energieversorger. Das hat nichts mit Entsolidarisierung zu tun, denn Sie müssen ja investieren.“ Und durch den Verkauf von Strom über den Netzbetreiber an andere gebe es auch noch Geld. Mit dem Hauskraftwerk betrage die Klimaneutralität im Idealfall zehn Jahre. Auf diesen Zeitraum gesehen, ließen sich 64 Tonnen CO2 einsparen. Dem gegenüber stünden als ökologischer Fußabdruck drei Tonnen für die Herstellung und den Transport des Hauskraftwerkes.
„Man kann nicht den totalen Verzicht predigen für den ökologischen Fußabdruck. Man muss überlegen, wie man zum Beispiel die Treibhausgate eine Flugreise kompensieren kann“, sagte Piepenbrink. Und unabhängig von der Parteizugehörigkeit müsse man sich fragen: „Stimmt das, was wir da machen? Stimmt es, dass es klimafreundlich ist mit Batterien?“ Andreas Piepenbrink hat sich nicht nur gefragt: „Ich habe alles analysieren lassen. Wie Sie Ihr Haus dämmen, ist egal. Der Staat hat falsch gefördert.“ Man müsse dämmen, damit die Energie nicht zum Fenster raus gehe.
Wasserstoff ist teurer Spielkram
Zudem sei Wasserstoff im Heim beziehungsweise im Fahrzeug kein Ersatz für Batterien und zudem nicht effizient. „Das ist alles teurer Spielkram. Man sollte lieber etwas machen, das funktioniert, als darüber zu philosophieren, was man lieber nicht macht“, brachte Piepenbrink einen weiteren Seitenhieb auf die Bundesregierung. „Wasserstoff ist eher klimaschädlich, teuer, Ressourcenverschwendung und keine Ausrede für fehlende Ladeinfrastruktur. Er ist die reine Ausrede dafür, dass man 30, 40 Jahre nichts gemacht hat.“

Der größte und wirksamste Speicher sei das Auto vor der Tür. Wichtig sei es, dass das Auto nur mit Solarstrom betrieben werde. Außer im Eigenheim sei es derzeit jedoch fast nicht möglich, Elektroautos ausschließlich mit Solarstrom zu laden. Und es müsse möglich sein, Strom zu speichern. „Man muss speichern, denn ohne Speichern keine Kekse – sonst im Winter Strom aus anderen Ländern. Aber unsere deutsche Energiewirtschaft bestreitet, dass wir Speicher brauchen“, klärte Andreas Piepenbrink auf. „Der Speicher, ob mobil oder stationär, wird von der deutschen Energieversorgung blockiert“, ist der Unternehmer überzeugt.
„Energieversorger blockieren Speicher“
Sein Fazit lautete: CO2-freie Häuser sind möglich und werden Standard auf Basis von Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpe und Elektroautos. Wasserstoff kann die hocheffizienten Batterien, die weder rohstoffkritisch noch schlecht in der Umweltbilanz sind, nicht ersetzen. Die deutsche Energieversorgung (BDEW, BNetzA) möchte keine Elektroautos mit Solarstrom versorgen, daher sind Elektroautos mit Netzstrom klimaschädlich. Sie blockiere zudem den Speicher/das Elektroauto als Speicher und möchte Netze ausbauen, anstatt der CO2-freien dezentralen Versorgung eine industrielle Zukunft zu geben. Ein CO2-Preis wäre richtig für Netzstrom und für Benzin/Diesel. Die Regulatorik für Eigenverbrauch/Integration von Elektroautos ist zu komplex. Die EU-Richtlinien für den Eigenverbrauch werden nicht umgesetzt.
Die Teilnehmer der abschließenden Podiumsdiskussion mit den Referenten waren Bürgermeisterkandidat Udo Högemeier, Landratskandidat Ingo Ellerkamp sowie der Moderator Rainer Rohrbeck. Am Ende machte Dr. Andreas Piepenbrink den Sozialdemokraten und damit der Stadt Rahden noch ein Geschenk: Sein gerade erschienenes Buch „Masterplan eMobilie“ bot er zum Preis von 20 anstatt 68 Euro an. „Die Einnahmen gehen dann an eine Einrichtung in Rahden, die Sie selbst auswählen können“, sagte Piepenbrink.